07.02.2022 Schlafstörungen

Detektivarbeit im Schlaflabor

Von Annette Bulut
Von Schlafstörungen betroffen sind häufiger Männer als Frauen und vor allem Berufstätige mit unterschiedlichen Arbeitszeiten.
Von Schlafstörungen betroffen sind häufiger Männer als Frauen und vor allem Berufstätige mit unterschiedlichen Arbeitszeiten. Fotoquelle: Klinik für Schlafmedizin Düsseldorf GrandArc / ResMed Deutschland / Narval

Die Schlafqualität der Deutschen ist durchwachsen: Jeder Vierte liegt nachts gelegentlich oder regelmäßig wach und kann nicht einschlafen. Manche fallen tagsüber in einen Sekundenschlaf oder sind von einer lähmenden Tagesmüdigkeit befallen. Schlafstörungen haben viele Gesichter und können ganz unterschiedlicher Natur sein.

Bevor die Patienten bei Dr. Hartmut Grüger landen, dem Chefarzt der Klinik für Schlafmedizin Düsseldorf GrandArc, haben sie schon etliche Wochen, Monate oder gar Jahre sehr schlecht geschlafen. Meist vom Hausarzt überwiesen, soll die Klinik den Betroffenen wieder zu einem gesunden und erholsamen Schlaf und damit mehr Lebensqualität verhelfen.

Die persönliche Problematik der Patienten ist oft unterschiedlich komplex, die Diagnosen manchmal mehr, manchmal weniger kompliziert: "Viele jüngere Patienten haben eine schlechte Schlafhygiene und stören ihren Schlaf-Wachrhythmus durch zu lange Bildschirmzeit bis kurz vor dem Zubettgehen. Sie haben eine verhaltensabhängige Schlafstörung. Es reicht eigentlich ihnen klarzumachen, dass sie ihr Verhalten ändern müssen. Das sind die einfachen Fälle. Aber es gibt natürlich auch Patienten, da müssen wir echte Detektivarbeit im Schlaflabor leisten. Wie bei einem Busfahrer, der bei seiner Arbeit immer wieder in Sekundenschlaf fiel. Nach einer komplizierten Diagnose stellte sich heraus, dass er an einer neurologischen Krankheit, der Narkolepsie, litt", berichtet Chefarzt Grüger und ergänzt: "Ich kann aus meiner langjährigen Berufserfahrung sagen, dass wir bei den allermeisten Patienten bisher die Ursache für ihre Schlafstörungen finden konnten."

Schlaf in Zeiten von COVID-19

Aktuell kommen auch vermehrt Patienten in die Klinik für Schlafmedizin, die nach einer COVID-19 Infektion unter Schlafstörungen leiden. Studien haben inzwischen nachgewiesen, dass sechs Monate nach einer Corona-Infektion zwischen 26 und 40 Prozent der Genesenen unter Schlafstörungen litten. Zum einen scheint es direkte Effekte der Virusinfektion auf das zentrale Nervensystem zu geben. Zum anderen kann die Immunantwort eine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus hervorrufen. Das berichtet die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).

Um die Ursachen für die vielfältigen Schlafstörungen zu ergründen, stehen in der hochmodern ausgestatteten Schlafklinik verschiedene Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Die Diagnostik hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Bei manch einem geistert noch die Vorstellung von einem verkabelten Menschen auf einer unbequemen Pritsche im Schlaflabor im Kopf herum. Das aber stimmt mit der Realität nicht mehr überein. In der Düsseldorfer Klinik für Schlafmedizin ist das Schlaflabor-Zimmer vielmehr einem schönen Hotelraum mit eigenem Bad sehr ähnlich. Auch die aufwändigen Kabel sind ein Relikt der Vergangenheit. Stattdessen sendet ein kleines Gerät auf der Brust oder am Finger per Bluetooth Daten an einen Empfänger, der auf dem Nachttisch steht. Dieser erlaubt auch während der Nachtruhe die Toilette aufzusuchen. Und auch zuhause kann die Diagnostik durchgeführt werden. "Wir bieten unseren Patienten einen umfangreiche Schlafdiagnostik sowohl hier bei uns im videoüberwachten Schlaflabor mittels kabelloser Polysomnographie, als auch in häuslicher Umgebung durch ein mobiles Aufzeichnungsgerät, das Patienten wie eine Armbanduhr in ihrer häuslichen Umgebung anlegen können", erklärt Grüger.

Schlafaufzeichnung zuhause per Bluetooth-Messgerät 

Mit einem kleinen kompakten System werden die Schlafparameter der Patienten kabellos über Bluetooth vermessen. Die sogenannte häusliche Polygraphie sendet Informationen mittels telemedizinischer Datenübertragung, so dass die Patienten die Klinik nicht über Nacht aufsuchen müssen. Am nächsten Morgen erfolgt in der Praxis die Auswertung. Das Gerät registriert geringste Veränderungen der Atembewegungen und die Sauerstoffsättigung im Blut. Zwei kleine Messgeräte, die am Handgelenk und über dem Brustkorb getragen werden, messen zudem den Puls sowie Atemaussetzer und Schnarchen. "Auch Herzrhythmusstörungen lassen sich so erkennen", ergänzt Grüger.

Zeigt sich in der häuslichen Polygraphie ein krankhafter Befund, so folgt in der Regel eine große Untersuchung, die sogenannte Polysomnographie (PSG) im Schlaflabor, welche über Nacht in der Klinik durchgeführt wird. Dann ist auch eine Verkabelung zur Ableitung verschiedener Messgrößen erforderlich. "Falls eine Therapie erforderlich ist, wird diese im Regelfall in der folgenden Nacht eingeleitet. Hierbei wird erneut die gesamte Verkabelung durchgeführt, um direkt den Erfolg der Therapie überprüfen zu können. Insgesamt sollte man dann einen Aufenthalt von zwei bis drei Tagen für Diagnostik und Therapie einplanen", so der Experte.

Eine der häufigsten Schlafkiller ist die Schlafapnoe

Jeder 10. Deutsche hat schwere Schlafstörungen. Jeder 10. Mann und rund fünf Prozent der Frauen in Deutschland erleiden Atempausen im Schlaf, meist von Schnarchen begleitet. Diese Erkrankung wird Schlafapnoe genannt. Bei mehr als fünf Atempausen pro Stunde kann das schwerwiegende Folgeerkrankungen verursachen. Menschen mit einer obstruktiven Schlafapnoe haben häufiger Bluthochdruck und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Für sie besteht daher ein höheres Risiko einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder Herzrhythmusstörungen zu bekommen.

Der Grund dafür ist der Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut und die Weckreaktionen des Körpers bei den Atempausen. Eine Schlafapnoe entsteht, wenn die Muskulatur in den oberen Atemwegen erschlafft. Dadurch verengt sich der Atemweg im Rachenbereich oder blockiert sogar ganz, wodurch beim Ein- und Ausatmen laute Schnarchgeräusche entstehen. Durch diese Atmungsstörung wird der Körper nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Zusätzlich sinken der Puls und der Blutdruck. Das Atemzentrum im Gehirn schlägt Alarm und löst einen Weckreiz aus. Die Betroffenen wachen kurz auf, meist ohne es zu merken. Dadurch wird der Schlafrhythmus unterbrochen, das Herz beginnt schneller zu schlagen und der Blutdruck steigt. Wenn die kurze Aufweckreaktion in einer Nacht wiederholt auftritt, kann sie verhindern, in den Tiefschlaf zu fallen, der die Nachtruhe erst erholsam macht.

Symptome, die auf eine Schlafapnoe hinweisen können, sind neben der starken Müdigkeit tagsüber, Konzentrationsstörungen, nächtliches Schwitzen und häufiges Wasserlassen, plötzliches Erwachen, manchmal mit Herzrasen und Luftnot, trockener Mund beim Aufwachen, Kopfschmerzen am Morgen und bei Männern auch Potenzprobleme.

Viele Menschen scheuen dennoch eine Therapie, obwohl sie sich ihrer Atemaussetzer durchaus bewusst sind. Das Klischee, nachts eine Atemmaske tragen zu müssen, ist vielleicht einer der Gründe. Allerdings haben sich die therapeutischen Maßnahmen in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. So können heute verschiedene Therapien zum Einsatz kommen, wie etwa eine Überdrucktherapie, eine Anti-Schnarch-Schiene (medizinisch: Unterkieferprotrusionsschiene), konservative sowie operative HNO-ärztliche Maßnahmen oder auch Zungengrund-Stimulatoren. "Oft reicht schon eine hauchdünne herausnehmbare Anti-Schnarch-Schiene vom Zahnarzt aus, um das Problem zu beheben", sagt Experte Grüger. Welche Therapie für den Patienten optimal sei, werde in seiner Klinik interdisziplinär in Zusammenarbeit mit HNO-Ärzten, Zahnärzten, Kardiologen, Neurologen und anderen Fachärzten erarbeitet und durchgeführt.

Zahlen und Fakten

Rund 100.000 Patientinnen und Patienten sind in Deutschland wegen Schlafstörungen im Krankenhaus gewesen. Bei Schlafproblemen greifen etliche Betroffene zu Schlafmitteln ohne Rezept. Knapp jeder Vierte nimmt Schlafmittel länger als drei Jahre. Diese können süchtig machen. Es ist daher sinnvoll die Ursache der Schlafstörung ärztlich abklären zu lassen. Denn ein dauerhafter Mangel an gesundem Schlaf kann schwerwiegende Konsequenzen für die Gesundheit haben. Schlafstörungen, die langer als vier Wochen dauern, erfordern eine ausführliche Klärung der Ursachen. Diese können sowohl im seelischen wie im körperlichen Bereich liegen.

Schlechter Schlaf erhöht das Risiko für Depressionen und Angststörungen. Umgekehrt treten Schlafstörungen auch im Rahmen von psychischen Erkrankungen auf, beispielsweise bei Depressionen, Angsterkrankungen, Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen. Auch die Einnahme von Medikamenten und Alkoholkonsum kann den Schlaf beeinträchtigen. Bereits ein mäßiger Konsum von Alkohol vor dem Einschlafen kann dazu führen, dass sich die Schlafzeit verkürzt und sich die Qualität des Schlafes verschlechtert. Weitere Störfaktoren, die das Schlafen beeinträchtigen können, sind ein zu voller Magen, Koffein‐, und Nikotingenuss oder Medienkonsum bis kurz vor dem Zubettgehen.

Von Schlafstörungen betroffen sind häufiger Männer als Frauen und vor allem Berufstätige mit unterschiedlichen Arbeitszeiten wie Schichtarbeiter in Industriebetrieben, Taxifahrer, Ärzte und Pflegepersonal im Krankenhaus.

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